Richtiges Messen und Maßtabellen verstehen - Grundwissen Nähen lernen

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Bevor wir in das Thema "Richtiges Messen und Maßtabellen verstehen" eintauchen, findet Ihr hier zunächst die Körpermaßtabelle, die unseren Schnittmustern zu Grunde liegt:

Masstabelle

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Maßtabellen verstehen: Warum du beim Nähen nicht nur auf Kaufgrößen vertrauen solltest

Beim Nähen begegnen mir immer wieder Fragen rund um das Thema Maßtabellen. Hier unterscheiden wir Fertigmaßtabellen und Körpermaßtabellen.
Besonders beim Maßnehmen oder der Wahl der richtigen Größe tauchen häufig Unsicherheiten auf. Deshalb möchte ich heute ein wenig Licht ins Dunkel bringen – und erklären, warum Maßtabellen oft missverstanden werden und wie du sie richtig für deine Nähprojekte nutzt.

 

Warum ich mit Fertigmaßtabellen arbeite

In meinen Ebooks und Papierschnittmustern findest du Fertigmaßtabellen. Das bedeutet: Die dort angegebenen Maße sind nicht die Körpermaße, sondern die Maße des fertigen Kleidungsstücks.
Das ist für viele einfacher, denn so kannst du z. B. einen gekauften Pullover, der dir gut passt, ausmessen und mit der Fertigmaßtabelle eines Pullover-Schnittmusters vergleichen. Dadurch bekommst du ein gutes Gefühl dafür, wie weit dein genähtes Stück später sitzt – etwa im Brustbereich. Wir haben bei jedem Schnittmuster immer die Fertigmaße in allen Größen extra berechnet und tabellarisch hinterlegt, so erhältst Du ein sehr viel genaueres Bild vom fertigen Kleidungsstück, als wenn Du nur mit Körpermaßen arbeitest. 

Wichtig ist dabei, vergleichbare Materialien heranzuziehen: Eine Bluse aus fester Webware lässt sich nicht mit einem elastischen Jersey-Shirt vergleichen. Also bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!

Aus Erfahrung weiß ich, dass ihr mit den Fertigmaßtabellen gut zurechtkommt – deshalb verwende ich sie in allen meinen Schnittmustern. 

 

Wozu gibt es dann überhaupt eine Körpermaßtabelle?

Vielleicht fragst du dich jetzt: Wenn die Fertigmaßtabelle so hilfreich ist – wozu braucht man dann noch die Körpermaßtabelle?

Die Antwort ist einfach: Beide Tabellen erfüllen unterschiedliche Zwecke – und ergänzen sich ideal.
Die Körpermaßtabelle zeigt, für welche Körpermaße ein Schnitt ursprünglich entworfen wurde. Sie bildet also die Grundlage des Schnittdesigns. Wenn du deine eigenen Körpermaße nimmst und mit der Körpermaßtabelle vergleichst, kannst du feststellen, welche Größe als Basis für dich vorgesehen ist.

Das ist vor allem dann wichtig, wenn du den Schnitt individuell anpassen möchtest – z. B. bei:

  • größerem oder kleinerem Brustumfang

  • längeren oder kürzeren Armen oder Beinen

  • stärkeren oder schmaleren Hüften oder Schultern

Die Körpermaßtabelle hilft dir also dabei, deine individuelle Passform besser einzuschätzen und gezielt Änderungen vorzunehmen. Sie ist eine Art Ausgangspunkt, der dir zeigt: „So ist der StandardKörper gedacht – von hier aus kannst du den Schnitt an Deinen Körper anpassen.“

Gerade bei aufwendigeren Kleidungsstücken oder wenn du öfter nähst, lohnt sich der Blick in beide Tabellen. Die Körpermaßtabelle hilft dir beim Start – die Fertigmaßtabelle gibt dir das nötige Gefühl für den fertigen Sitz.

 

„Die Maßtabelle passt nicht zu meiner Größe!“ – Ein Missverständnis

Ein häufiger Einwand beim Nähen lautet:
„Die Maßtabelle stimmt nicht – sie passt überhaupt nicht zu meiner Kaufgröße!“
Oder: „Die Maße haben nichts mit meinen eigenen Maßen zu tun.“

Hierzu ist wichtig zu wissen: Die Maßtabellen basieren auf standardisierten Größen, die innerhalb eines bestimmten Zentimeterbereichs liegen – genau wie bei anderen Schnittdesignern oder großen Modehäusern.
Besonders bei der Oberweite, die für die Passform vieler Oberteile und Kleider entscheidend ist, sind die Werte meist identisch mit denen von großen bekannten Bekleidungs-Marken. Es ist also nicht korrekt, dass die Maßtabellen fehlerhaft wären, es ist oft eher die Frage, wie diese von der Industrie ausgelegt werden, z.B. werden gerade von Modehäusern aus kaufpsychologischen Gründen die Maße verschoben, dort wird unterstellt, dass eine Kundin eher zugreift, wenn ihr Größe 38 passt, als wenn sie Größe 40 kaufen muss, auch wenn eigentlich Größe 40 die richtige wäre lt. Standard-Industrie-Maßtabelle.

 

Maßtabelle vs. Passform – was wirklich zählt

Was die Körpermaßtabelle nicht zeigt, ist die gestalterische Idee hinter einem Kleidungsstück.
Nehmen wir zum Beispiel ein locker geschnittenes Langarmshirt mit überschnittenen Ärmeln: Dieses Oversize-Modell soll bewusst nicht figurbetont sitzen. Das lässt sich aus einer Körpermaßtabelle nicht ablesen – sehr wohl aber aus der Fertigmaßtabelle, denn sie gibt dir eine Vorstellung davon, wie locker oder eng das Kleidungsstück ausfällt.

Und hier kommt der individuelle Geschmack ins Spiel:
Was die eine als „zu weit“ empfindet, liebt die andere für den bequemen Sitz. Während manche figurbetonte Kleidung bevorzugen, fühlen sich andere in lockeren Schnitten wohler. Das Empfinden ist subjektiv – und eine Körpermaßtabelle kann das schlicht nicht abbilden.

 

Ein Beispiel aus der Praxis

Stell dir vor, zwei Frauen haben laut Standard-Körpermaßtabelle die Größe 40.
Die eine trägt im Alltag lieber 38, weil sie enge Kleidung mag und gerne ihre Figur betont. Die andere kauft grundsätzlich Größe 42, weil sie es bequemer mag und sich mit etwas mehr Spielraum wohler fühlt.

Beide haben sich im Bekleidungsgeschäft natürlich nie mit Maßtabellen beschäftigt, sondern kaufen nach Gefühl. Jetzt wollen sie sich ein Kleidungsstück nähen – und stellen beide beim Blick in die Maßtabelle fest, dass ihre Maße Größe 40 entsprechen.

Verwirrung ist vorprogrammiert:
„Die Tabelle stimmt nicht!“ oder „Das genähte Teil sitzt ganz anders, als ich es gewohnt bin!“

Dabei stimmt die Tabelle – nur die Erwartungshaltung stimmt nicht mit der realen Schnittführung oder dem persönlichen Tragegefühl überein. An dieser Stelle sage ich gerne, dass es egal ist, welche Zahl dort steht, wichtig ist, dass es hinterher passt. Auch wenn Du Größe 40 nähen musst, obwohl Du lieber Größe 38 nähen würdest, es wird niemanden interessieren, welche Größe Du gewählt hast, aber Dich, wenn das Kleidungsstück hinterher nicht passt. 

 

Wie finde ich die richtige Größe?

Der erste Schritt bei der Größenauswahl ist ganz klar: die eigenen Körpermaße nehmen – und zwar sorgfältig. Diese Maße vergleichst du anschließend mit der Körpermaßtabelle, um deine Grundgröße zu ermitteln.

Am zuverlässigsten ist es, ein Probeteil zu nähen. In der professionellen Schneiderei ist das ganz selbstverständlich – denn so erkennst du schnell, wie der Schnitt an deinem Körper sitzt und kannst gezielt Anpassungen vornehmen.

Wenn du kein Probeteil machen möchtest, gibt es zwei praktische Alternativen:

  • Messe die Weite direkt am Schnittteil aus oder nimm die Maße aus der Fertigmaßtabelle – zum Beispiel im Brustbereich – und vergleiche sie mit einem Kleidungsstück, das dir gut passt.

  • Lege ein vorhandenes Kleidungsstück direkt auf das Schnittteil, um die Größenverhältnisse abzuschätzen.

Wichtig dabei: Achte unbedingt darauf, dass du nur ähnliche Materialien miteinander vergleichst – sonst kann das Ergebnis täuschen. Jersey verhält sich nun mal ganz anders als Webware – also lieber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!

 

Fazit: Mehr Klarheit mit Fertigmaßen

Ich hoffe, dieser Beitrag konnte dir helfen, Maßtabellen besser zu verstehen, die Unterschiede zwischen Körpermaßtabelle und Fertigmaßtabelle nachzuvollziehen und die passende Größe für deine Nähprojekte sicherer auszuwählen.
Wenn du weißt, wie die Fertigmaße zu lesen sind und was sie dir über die Passform verraten, wirst du dich beim Nähen viel wohler fühlen – und am Ende mit einem Kleidungsstück belohnt, das wirklich zu dir passt.